Tabelle 1: Stenosegraduierung der A. carotis
interna
Stenosegrad (NASCET-Definition)
[%] |
10 |
20 - 40 |
50 |
60 |
70 |
80 |
90 |
Verschluss |
|
Stenosegrad alt (ECST-Definition) [%] |
45 |
50
- 60 |
70 |
75 |
80 |
90 |
95 |
Verschluss |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Haupt-kriterien |
1.
B-Bild |
+++ |
+ |
|
|
|
|
|
|
2.
Farb-Doppler-Bild |
+ |
+++ |
+ |
+ |
+ |
+ |
+ |
+++ |
|
3. Systolische Spitzengeschwindigkeit
im Stenosemaximum [cm/s] ca. |
|
|
200 |
250 |
300 |
350-400 |
100-500 |
|
|
4. Systolische Spitzengeschwindigkeit
poststenotisch [cm/s] |
|
|
|
|
>50 |
<50 |
<30 |
|
|
5. Kollateralen und Vorstufen (Periorbitalarterien
/ ACA) |
|
|
|
|
(+) |
++ |
+++ |
+++ |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Zusatz-kriterien |
6. Diastolische Strömungsverlang-samung
prästenotisch (ACC) |
|
|
|
|
(+) |
++ |
+++ |
+++ |
7. Strömungsstörungen poststenotisch |
|
|
+ |
+ |
++ |
+++ |
(+) |
|
|
8. Enddiastolische Strömungsgeschwin-digkeit
im Stenosemaximum [cm/s] ca. |
|
|
bis
100 |
bis
100 |
über
100 |
über
100 |
|
|
|
9. Konfetti-Zeichen |
|
|
|
(+) |
++ |
++ |
|
|
|
10. Stenoseindex ACI/ACC |
|
|
≥2 |
≥2 |
≥4 |
≥4 |
|
|
Abkürzungen: ACA: A. cerebri anterior. ACC: A. carotis communis. ACI: A. carotis interna.
Stenosekriterien
A. Hauptkriterien (s. Tab. 1, Nr. 1-5)
1. Darstellung des Stenosebefundes im B-Bild: Nicht
stenosierende Plaques (bis 10% nach
NASCET) werden im B-Bild dargestellt, eine prozentuale Graduierung nach
NASCET ist nicht sinnvoll. Für Verlaufskontrollen sollte die Dokumentation der maximalen Dicke und Länge einer Plaque
jeweils in der Schnittebene erfolgen, welche die Plaque in ihrer größten
Ausdehnung darstellt, wenn möglich auch im Querschnitt.
2. Darstellung des Stenosebefundes im Farb-Doppler-Bild: Geringgradige
Stenosen (20 bis 40% nach NASCET) werden
im Farb-Doppler-Bild durch die lokale Strömungsbeschleunigung mit dem bei
geeigneter Geräteeinstellung hier auftretenden Alias-Effekt erkennbar und von nicht stenosierenden Plaques
differenziert. Dazu müssen der Schallwinkel durch Farbfensterkippung und die
Pulsrepetitionsfrequenz (PRF) im Farb-Doppler-Bild sorgfältig eingestellt
werden: Wünschenswert ist ein Schallwinkel, der 60° nicht überschreiten sollte.
Die genauere Messung der lokalen Strömungsbeschleunigung erfolgt durch das
Dopplerfrequenzspektrum. Für die Unterscheidung
zwischen Stenose und vollständigem Gefäßverschluss ist wiederum das
Farb-Doppler-Bild (mit niedrig eingestellter PRF) das entscheidende Kriterium.
3. Messung der
systolischen Spitzengeschwindigkeit im Stenosemaximum: Das Stenosemaximum
wird im Farb-Doppler-Bild bei geeigneter Einstellung der PRF (s.o.) durch den
Alias-Effekt erkennbar; mit der anschließend hier durchgeführten lokalen Ableitung
des Doppler-Signals wird nach sorgfältiger Einstellung der Winkelkorrektur
(Winkel zwischen Schallstrahl und Gefäß möglichst gering, maximal 60°) die
systolische Spitzengeschwindigkeit mittels pw-Doppler gemessen. Die
Winkelkorrektur sollte wegen der häufig irregulären Morphologie genau auf die
Richtung der Jetströmung in oder unmittelbar kranial der Stenose eingestellt
werden; um die Jetströmung und ihre Richtung im Farb-Doppler-Bild genau abzubilden,
ist eine sorgfältige Einstellung der PRF und des Farb-Doppler-Winkels (beam steering)
notwendig. Wenn die Stenose bei einem Schallauslöschungsartefakt nicht direkt
abgebildet werden kann, erfolgt die Doppler-Ableitung in der Jetströmung
unmittelbar poststenotisch.
4. Messung der
poststenotischen Strömungsgeschwindigkeit: Hierzu wird die systolische
Maximalgeschwindigkeit möglichst weit kranial – jedenfalls außerhalb der Zone
mit Jet-Strömung und poststenotischen Strömungsstörungen – gemessen, ggf. unter
Zuhilfenahme eines Konvexschallkopfes. Bei einem Stenosegrad bis etwa 70% (NASCET) liegt die maximale
Geschwindigkeit in der Regel über 50 cm/s und ist im Seitenvergleich bei nicht
stenosierter Gegenseite nicht vermindert. Bei einem Stenosegrad von 80% (NASCET) liegt sie unter 50 cm/s und
bei einem Stenosegrad von 90% (NASCET)
unter 30 cm/s (13). Bei weit kranial lokalisierten Stenosen steht dieses
Kriterium evtl. nicht zur Verfügung.
5. Nachweis von Kollateralen: Das Vorliegen
einer Kollateralströmung über die A. communicans anterior oder –posterior oder
die A. ophthalmica beweist eine sehr hochgradige Strömungsbehinderung der
vorgeschalteten A. carotis. Das Fehlen dieses Kriteriums ist aber mit Vorsicht
zu bewerten: eine fehlende Anterior-Kollaterale kann auf eine nicht angelegte
Kollateralverbindung zurückzuführen sein. Das Fehlen der Ophthalmika-Kollaterale
kann darauf beruhen, dass dieser Umgehungskreislauf bei hervorragender
intrakranieller Kollateralisierung nicht benötigt wird. Deshalb ist eine
Beurteilung der Kollateralversorgung sicherer, wenn nicht nur extrakraniell,
sondern auch intrakraniell untersucht wird. Für die Befunderhebung mit Doppler-
und Duplexsonographie sind nicht nur Kollateralen in ihrer vollen Ausprägung,
sondern auch Vorstufen zu beachten, z.B. eine im Seitenvergleich fehlende
Strömung („Nullströmung“) oder einseitige Strömungsverlangsamung in den
Periorbitalarterien.
B. Zusatzkriterien (Tab. 1, Nr. 6-10)
6.
Diastolische Strömungsverlangsamung der A. carotis communis: Bei hochgradiger, hämodynamisch
relevanter Stenose (Stenosegrad ab etwa
70% nach NASCET) nimmt das Strömungsvolumen ab; dies führt zur Abnahme
der Strömungsgeschwindigkeit, wenn der Gefäßquerschnitt konstant bleibt. Die
Strömungsverlangsamung wird durch seitenvergleichende Untersuchung der A.
carotis communis festgestellt, wobei sich infolge des erhöhten peripheren
Strömungswiderstandes auch das Systole-Diastole-Verhältnis der Strompulskurve
verändert: die Pulsatilität nimmt zu. Im Frühstadium ist allein die
diastolische Minderung der Strömungsgeschwindigkeit (erhöhte Pulsatilität)
erkennbar, während die systolische Strömungsgeschwindigkeit noch seitengleich
bleibt.
7.
Strömungsstörungen: Wir
unterscheiden Turbulenzen, die bei Überschreiten der sog. Reynolds-Zahl durch
Übergang von laminarer in turbulente Strömung entstehen, und Ablösungsphänomene
bei Gefäßgabelungen oder bei plötzlicher Erweiterung des Gefäßquerschnitts z.B.
poststenotisch. Da die hierdurch bedingten Strömungsstörungen auch von der
Oberflächenbeschaffenheit der Stenose abhängen, besteht keine enge Korrelation
mit dem Stenosegrad. Ausgeprägte Strömungsstörungen sind v.a. als ergänzendes
Stenosekriterium von Bedeutung, wenn die Messung der Strömungsgeschwindigkeit
im Stenosemaximum nicht möglich ist. Ablösungsphänomene können auch
physiologischerweise vorkommen und haben für die Stenosediagnostik nur
Bedeutung zusammen mit anderen Stenosekriterien. Sie können erwartet werden bei
Stenosen ab etwa 50% (NASCET)
und sind bei hochgradigen Stenosen besonders ausgeprägt („Schritte im Kies“).
8.
Enddiastolische Strömungsgeschwindigkeit im Stenosemaximum: In einigen Fällen lässt sich die systolische Spitzengeschwindigkeit nicht ausreichend präzis messen, z.B.
wenn die Spitze der Dopplerkurve abgeschnitten ist. Hier kann die
enddiastolische maximale Strömungsgeschwindigkeit als Zusatzkriterium Verwendung
finden. Bei Stenosen ab 70% (NASCET)
sind enddiastolische Strömungsgeschwindigkeiten >100 cm/s zu erwarten. Dieses Kriterium hat bei verfügbarem
Messwert für die systolische Spitzengeschwindigkeit keine Bedeutung.
9.
Perivaskuläre Gewebsvibrationen (Konfetti-Zeichen): Das Konfetti-Zeichen entsteht durch
Vibration perivaskulärer Weichteile bei Auftreffen einer stark beschleunigten
Jet-Strömung. Der Befund kommt unmittelbar distal von hochgradigen Stenosen ab
etwa 70% (NASCET) sowie bei
AV-Fisteln als perivaskuläres Farbmosaik vor. Das Konfetti-Zeichen ist von
artefiziellen Farbsignalen (infolge falscher Geräteeinstellung bei zu hoch
eingestellter Farbgain) dadurch zu unterscheiden, dass es nicht im gesamten
Farbbild, sondern perivaskulär an einem umschriebenen Gefäßabschnitt auftritt.
10.
Stenoseindex ACI/ACC: Von
verschiedenen verfügbaren Indizes wird dieser Stenoseindex als Quotient von
maximaler systolischer Strömungsgeschwindigkeit der A. carotis interna
und A. carotis communis international am häufigsten verwendet. Der Stenoseindex
ist wertvoll bei der Erkennung zusätzlicher und komplexer Pathologien wie
primär engen Gefäßen, Tandemstenosen und einer Hyperperfusion der A. carotis
interna. Bei der Graduierung einer Eingefäß-Stenose ist der Stenoseindex
weitgehend redundant zur systolischen Spitzengeschwindigkeit, aber mit einem
höheren Messfehler behaftet.
Weitere
Erklärungen in: Arning C, Widder B, von
Reutern GM, Stiegler H, Görtler M. Ultraschallkriterien zur Graduierung von
Stenosen der A. carotis interna – Revision der DEGUM-Kriterien und Transfer in
NASCET-Stenosierungsgrade. Ultraschall in Med 2010; 31: 251-257.